Rundung mit Summe

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Häufig muss man einige Zahlen auf einmal runden, aber die Summe soll hinterher „aufgehen“. Das kann man „summenerhaltendes Runden“ nennen, wobei unter Umständen auch die Summe gerundet wird. Der häufigste Fall sind Prozentwerte und wenn die gerundeten Zahlen nicht zusammen 100% ergeben, versteht das niemand. Da kann es schon besser sein, etwas schwieriger verständliche Dinge hinter den Kulissen zu tun. Kurz gesagt ist unsere Frage, ob die Rundung ein Endomorphismus der additiven Gruppe ist. Das bedeutet, dass \bigwedge_{x,y\in M} r(x+y)=r(x)+r(y). Auf den resten Blick sieht das vernünftig aus und die Fehler heben sich ja oft irgendwie weg. Aber wir können für eine gängige Rundungsmethode ein Gegenbeispiel finden: x=1.4, y=2.3, z=3.3. Wir haben x+y+z=7. Jetzt wird das gerundet und ergibt r(x)=1 \wedge r(y)=2 \wedge r(z)=3 \bigrightarrow r(x)+r(y)+r(z)=6 \ne 7. Ein Gegenbeispiel reicht und es ist kein Endomorphismus.

Ist das ein ganz neues Konzept? Es wird ja offensichtlich in fast allen Druckerzeugnissen, die irgendwie Prozentwerte so angeben, für die Gesamtsumme „gemogelt“. Aber es stellt sich heraus, dass das auch hochoffiziell alle vier Jahre passiert. Wir haben irgendwelche Ereignisse, die sich „Wahlen“ nennen und da kann man Parteien oder Listen für ein Parlament eine Stimme geben. Das Parlament hat meistens eine vorgegebene Anzahl von Sitzen, wenn wir mal Spezialitäten wie 5%-Sperrklausel und Überhangmandate in der deutschen Wahlpraxis vergessen, um es noch halbwegs für Logik zugänglich zu halten. Man stelle sich nur vor, was passiert, wenn 40 Parteien antreten und je 2.5% erhalten, um zu sehen, dass das System nicht korrekt ist, im Sinne einer korrekten Software. Nun sollte man meinen, die Parlamentssitze werden einfach im Verhältnis der Stimmen aufgeteilt. Wenn man n Parlamentssitze hat, werden die Stimmenanteile in Prozent auf Vielfache von \frac{100}{n} gerundet und zwar so, dass es am Schluss aufgeht. Es gibt viele Verfahren, um das zu bewerkstelligen und je nachdem, welches Verfahren man auswählt, kann bei denselben Stimmenzahlen die Sitzverteilung geringfügig variieren. Habe ich das Wort „Mogeln“ oben erwähnt? Es muss wohl Zufall sein. Welches Verfahren gerade am gerechtesten ist, wechselt also von Jahr zu Jahr immer wieder ein bisschen.

Wenn wir nicht gerade eine Wahlauswertungssoftware schreiben, ist in den meisten Fällen diese Frage weniger aufgeladen. Es soll in einem Text eine Summe von mehreren gerundeten Werten eingehalten werden und die Rundung soll „einigermaßen vernünftig“ erfolgen. Der oberflächliche Leser wird zufrieden sein, der etwas kritischere auch, weil die Summe stimmt und der Leser, der sich richtig Gedanken macht wird es auch verstehen, dass man da mogeln musste und dass man das einigermaßen sinnvoll getan hat. Man beachte, dass diese Thematik einige Überraschungen birgt, z.B. das Alabama-Paradoxon und das Wählerzuwachsparadoxon.

Wie in Restklassenrundung beschrieben, gehen wir von Mengen M und N \subseteq M mit einer Metrik d: M\times M \rightarrow {\Bbb R_+}, (m, n) \mapsto d(m,n) \ge 0 aus und wollen Abbildungen r : M \rightarrow N betrachten, bei denen d(x, r(x)) klein bleibt und eventuell ein paar weitere Bedingungen erfüllt sein sollen. Da aber die Korrektur schon Teil der Abbildung sein soll, interessiert uns hier eigentlich eher so etwas wie eine Abbildung
s: M^n \rightarrow N^n, (m_1,\ldots,m_n) \mapsto (n_1,\ldots n_n) mit \sum_{i=1}^n m_i = \sum_{i=1}^n n_i und für alle i ist d(m_i,n_i) „klein“. Reine Auf- oder Abrundung kann also nicht die Lösung sein, da das nie aufgeht. Wir könnten die Fehlerquadrate minimieren, was den Vorteil hat, das große absolute Abweichungen sich stärker auswirken, so dass eine gleichmäßige Verteilung der Korrektur besser wegkommt, also z.B.
\sum_{i=1}^n (d(m_i, n_i))^2 ist minimal. Es lassen sich Beispiele konstruieren, wo das nicht eindeutig ist. In dem Fall kann man entweder eine Regel festlegen oder mit Zufallszahlen ermitteln welche der passenden Möglichkeiten zum Zuge kommt. Man kann auch versuchen, die relativen Fehler zu minimieren, also so etwas wie
\sum_{i=1: m_i \ne 0}^n (\frac{d(m_i,n_i)}{d(m_i,m_i)})^2, wobei man die Summanden mit m_i=0 weglassen muss, was nicht stört, wenn 0\in N ist, man also sowieso 0 auf 0 runden will.
Eine Alternative ist, sich einfach an den Sitzzuteilungsverfahren für Parlamente zu orientieren und deren Algorithmen sinngemäß für die hier beschriebene Aufgabe anzupassen:

Oft sind die Anforderungen an die „Qualität“ der Rundung niedriger als bei der Zuteilung von Parlamentssitzen, aber es lohnt sich schon, sich hierüber einige Gedanken zu machen statt einfach irgendwie mit einem naiven Ansatz zu runden.

Frage: Wie verhalten sich die oben aufgeführten Sitzzuteilungsverfahren zur Minimierung der absoluten und relativen Fehlerquadrate?

Bei genügendem Interesse kann ich einmal eine Implementierung für so eine Rundung hinzufügen.

Gelegentlich begegnen uns auch Probleme, die dem hier geschilderten sehr ähnlich sind oder die sich darauf zurückführen lassen. Wer hätte gedacht, dass die Zuteilung von Parlamentssitzen eigentlich eine Rundung ist?

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